Blockflöten des frühen Barock

Eine Blockflöte für Jacob van Eyck: “Der Fluyten Lust-hof”

Die Notensammlung “Der Fluyten Lust-hof” von Jacob van Eyck um das Jahr 1640 hat schon seit vielen Jahren das Interesse von Musikern und Musikforschern geweckt. Diese virtuose Musik wird von vielen Blockflötenspielern ausgeübt und gehört als fester Bestandteil zum Repertoire zahlreicher professioneller Musiker. Es ist jedoch selten, daß diese Musik auf historischen Instrumenten des 17. Jahrhunderts gespielt wird, da die meisten Blockflötenspieler entweder Renaissanceblockflöten im Ganassistil (ca. 1530) oder Barockblockflöten (ca. 1680-1750) benutzen. Keiner dieser Blockflötentypen wurden allerdings zu van Eycks Zeit gespielt, und sie sind überdies nicht besonders für van Eycks leichte und zierliche Musik geeignet.

Bisher konnte diese Benutzung von einem historisch nicht passenden Flötentyp dadurch erklärt werden, daß es von der Zeit van Eycks nur ganz wenig erhaltene Originalinstrumente gibt, die erst in den letzten Jahren untersucht und kopiert wurden. Der erste Artikel über van Eyck-Blockflöten stammt von Fred Morgan und Eva Legêne: “A Recorder for the Music of J. J. van Eyck” in The American Recorder, Mai 1984. Dieser Artikel stellt die Rosenborgflöte als ein Instrument vor, das bezüglich des Entstehungszeitpunktes, der Stimmung, der Griffweise, des Umfangs und der musikalischen Qualitäten in besonderer Weise zu van Eycks Musik paßt. Die Rosenborgflöte kann aber nicht länger als die einzige geeignete Blockflöte angesehen werden; denn in den letzten Jahren sind mehrere interessante Blockflöten aus der Zeit gefunden worden, die ähnliche Eigenschaften besitzen, und die sich vortrefflich für van Eycks Musik eignen. Hier habe ich nach einem eingehendem Studium drei Instrumente ausgewählt, die als Vorlage für die Modelle 2, 3 und 4 dienen.

Es ist nicht möglich, ein eindeutiges Bild über die Entwicklung der Consortblockflöte der Renaissance zum Soloinstrument des Barock zu zeichnen. Instrumentenbauer verschiedener Orte Europas haben sicherlich unabhängig voneinander damit gearbeitet, die Renaissanceblockflöte den Bedürfnissen anzupassen, die von der neuen Musik gestellt wurden. Diese Bemühungen wurden Ende des 17. Jahrhunderts abrupt beendet, wo die Barockflöte ganz plötzlich erscheint und im Laufe kurzer Zeit die älteren Flötentypen verträngt. Den Instrumentenbauern ist es nicht gelungen, eine eigentliche Tradition aufzubauen, und deshalb kann man deren Instrumente berechtigt als “Übergangsinstrumente” bezeichnen. Trotzdem wurden wertvolle Instrumente gebaut, die sehr gut zur Musik dieser Zeit paßten.

Der Wunsch, den Tonumfang nach oben zu erweitern, ist sicherlich vorherrschend gewesen; haben doch alle gefundenen Blockflöten des frühen Barock eine engere Bohrung als die Renaissanceblockflöten, und damit einen etwas größeren Tonumfang. Gleichzeitig ist die Tonfülle der tieferen Töne etwas geringer, und die Flöte bekommt einen klaren und reinen, aber nicht sehr kräftigen Klang. Der leicht konische Bohrungsverlauf der Renaissanceblockflöte wird beibehalten, und häufig auch die schlichte äußere Form. Der Windkanal ist gebogen wie beim Instrument der Renaissance, aber neu ist es, daß die Seiten des Fensters bei einigen Flöten ein wenig schräg nach außen verlaufen. Die Flöten sind sehr dünnwändig und überwiegend aus Elfenbein gebaut.

Da der Windkanal und das Labium der Originalinstrumente oft beschädigt oder deformiert sind, ist es schwer, die Stimmung und die Tonqualität der höchsten Töne h”’, c”” und d”” zu beurteilen. Bei den Originalinstrumenten erscheint der Ton c””, für den van Eyck den Griff 01 45 angibt, etwas zu tief, weshalb das c”” entweder etwas kräftiger gespielt oder das erste Loch etwas geöffnet werden muss (01 45). Den Kopien nach zu urteilen, hatten die höchsten Töne einen reinen und klaren Klang mit einem leichten Ansatz. Hier sind die Modelle allerdings etwas verschieden.

Allgemeines über meine Modelle

Um heutigen Blockflötenspielern größtmögliche Inspiration bei der Interpretation von van Eycks Musik und anderer Musik des 17. Jahrhunderts zu geben, baue ich meine frühen Barockflöten so originalgetreu wie möglich. Jedes der Modelle beruht auf gründlichem Studium des entsprechenden Originalinstrumentes. In einigen Fällen war es notwendig, kleine Korrekturen bezüglich der Größe und der Plazierung der Fingerlöcher vorzunehmen, um dadurch eine Stimmung zu erhalten, die dem heutigen Standard entspricht; darüberhinaus sind keine Änderungen vorgenommen, und auch die Tonhöhe des Originalinstrumentes ist beibehalten.

Um das Vergleichen der Instrumente so einfach wie möglich zu machen, wird davon ausgegangen, daß alle Modelle das c” als Grundton haben.

Der Tonumfang streckt sich von c” bis d””.

Der Ton f” wird in der ersten Oktave mit dem Gabelgriff 01234 6 gegriffen, während f”’ in der zweiten Oktave 01234 7 oder 01234 6 gegriffen wird. Die höchsten Töne b”’, h”’, c”” und d”” haben Barockgriffweise (die Stimmung des c”” wird jedoch verbessert, wenn Loch 1 halb abgedeckt wird, siehe oben).

Bei der Bestellung kann man wählen, ob der Griff für d”’ in der zweiten Oktave (der neunte Ton der Flöte) wie bei Renaissanceflöten gespielt werden soll (alle Löcher geöffnet) oder wie bei Barockflöten (Loch 2 abgedeckt). Bei diesem Ton sind die Griffe der Originalinstrumente verschieden. Der Ton d”’ kann auch mit dem Hilfsgriff 0123456 gespielt werden, der im Gegensatz zu den Barockflöten beinahe rein ist, und damit eine große Erleichterung beim Spiel schneller Passagen und Triller ist.

Von links nach rechts:
1. Rosenborg.
2. Musikmuseum, Copenhagen.
3. Kunsthistorisches Museum, Wien.
4. Dean Castle

Die einzelnen Modelle

  1. Die Rosenborg Blockflöte, Kopenhagen
  2. Das dänische Musikmuseum, Kopenhagen, Inv. Nr. 2009-3
  3. Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv. Nr. SAM 130
  4. Dean Castle, Kilmarnock, Schottland